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Globalisierung, Digitalisierung, Migration, der Wandel traditioneller Familienstrukturen... Unsere Gegenwart zeichnet sich durch eine Vielzahl von Veränderungen aus, die tief in unser Leben eingreifen. Auf die mit diesen Entwicklungen verbundenen psychischen Herausforderungen und Möglichkeiten reagieren Menschen individuell sehr unterschiedlich. Während einige Menschen diese neuen Lebensaufgaben scheinbar mühelos meistern, hadern andere oder geraten in echte Lebenskrisen.
Essstörungen trotz Überfluss, Burnout trotz immer flexiblerer Arbeitsmodelle, „Gehirn-Doping“ trotz Spitzenleistung – all diese relativ neuen Phänomene werfen als Ausdruck psychischer Überlastungen in den westlichen Wohlstandsgesellschaften sowohl individuell als auch gesellschaftlich wichtige Fragen auf.
Aber ist es tatsächlich der schnelle Wandel, der uns empfänglicher für psychische Probleme macht? Und wenn ja, was kann man dagegen tun? Was heißt eigentlich ›krank‹ und ›gesund‹ in Bezug auf Mental Health? Und inwiefern birgt diese stetige Dynamik neben neuen Risiken nicht auch innovative Lösungsansätze?
Psychologisches Institut, HS 2
Prof. Dr. med. Dr. phil. Thomas Fuchs:
Warum gibt es psychische Krankheit?
Die Frage, warum es psychische Krankheit gibt, lässt sich mit Verweis auf zahlreiche – biologische, psychologische, soziale – Bedingungen, Faktoren und Zusammenhänge beantworten. Die philosophische und psychiatrische Anthropologie fragt hingegen grundlegender nach den Bedingungen der Möglichkeit dafür, dass Menschen überhaupt psychisch erkranken können. Nicht zuletzt die Tatsache, dass bei frei lebenden Tieren anhaltende psychische Störungen nicht vorkommen, spricht für eine anthropologische Vulnerabilität, also eine spezifische psychische Gefährdung des Menschen. Der Vortrag untersucht mögliche Gründe dieser Vulnerabilität und verortet sie vor allem in der besonderen Offenheit, Variabilität, aber auch Widersprüchlichkeit der Organisations- und Daseinsform des Menschen. Im zweiten Teil wird diese Disposition zur psychischen Krankheit als eine existenzielle Vulnerabilität interpretiert, nämlich als eine besondere Empfindlichkeit für die Widersprüche und Grenzsituationen der Conditio Humana.
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Prof. Dr. med. Dr. phil. Thomas Fuchs
Prof. Fuchs forscht im Bereich der philosophischen und anthropologischen Grundlagen der Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Heidelberg.
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Prof. Dr. Simone Munsch:
Entstehung und Behandlung von Essstörungen:
Die Rolle der Emotionsregulation und des Körperbilds aus der Sicht der Klinischen Psychologie
Gestörtes Essverhalten wie rigides Einschränken der Nahrungszufuhr, Essen ohne Hunger, anfallsartiges Essen und Essstörungen wie die Bulimia Nervosa, Binge-Eating-Störung und die Anorexia Nervosa beginnen bereits im Kindesalter und in der frühen Adoleszenz, werden jedoch häufig erst im Erwachsenenalter erkannt und behandelt. Bisherige Behandlungsansätze erweisen sich als mittelmässig effektiv. Ergebnisse aus der Ursachenforschung belegen die Bedeutung eines negativen Körperbilds und der Emotionsregulation bzw. der Fähigkeit, Gefühle und Handlungen Umweltanforderungen und eigenen Bedürfnissen entsprechend zu steuern, hin. Beide Faktoren entwickeln sich in Interaktion mit dem sozialen Umfeld, wobei das Körperbild massgeblich vom in Medien vermittelten Schönheitsideal beeinflusst wird. Im Vortrag wird ein Überblick über die aktuelle Ursachen- und Behandlungsforschung bei gestörten Essverhalten vermittelt. Dabei wird die Rolle familiärer Einflüsse und erste Erkenntnisse aus dem Einsatz neuer Technologien in der Behandlungsforschung vorgestellt.
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Prof. Dr. Simone Munsch
Prof. Munsch erforscht psychologische Prozesse, die mit Essstörungen in Verbindung stehen.
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Prof.Dr rer nat h.c. Dipl-Psych C.Psychol Dieter Wolke, PhD:
Warum mobben Kinder und was sind die Langzeitfolgen?
“Mobben – das gehört doch zum Aufwachsen dazu!” Dies ist häufig noch eine verbreitete Meinung – allerdings nicht der betroffenen Kinder. Mobben ist der systematische Missbrauch von Macht und wird definiert als Aggression die wiederholt mit der Intention durchgeführt wird anderen Schaden zuzufuegen. Etwa 15-25% der Schulkinder berichten gemobbt zu werden und ca. 10 -14% werden über Jahre hinweg drangsaliert. Es ist die häufigste Art der Misshandlung die Kinder je im Leben erfahren.
Es ist daher überraschend das der Einfluss des Mobbens auf die Entwicklung von seelischen Erkrankungen und Anpassung bis ins Erwachsenenalter so selten untersucht wurde. Theorien zur Erstehung von Erkrankungen haben den Einfluss von Gleichaltrigen und Geschwisterbeziehungen fast ganz vernachlässigt obwohl Kinder viel mehr Zeit mit Gleichaltrigen als mit ihren Eltern verbringen. Zudem fragen Kliniker kaum nach Mobben in der Schule oder Familie wenn die Opfer mit Beschwerden vorstellig werden. In diesem Vortrag werde ich einen Überblick über die Langzeitfolgen auf die seelische und körperliche Gesundheit und soziale Anpassung des Mobbens aus unseren und anderen Längsschnittstudien geben. Die Ergebnisse weisen überzeugend auf die langfristigen nachteiligen Effekte hin, die sogar den nachteiligen Folgen der Misshandlung durch Eltern übertreffen.
Ich werde darauf eingehen wie Mobber vorgehen und eruieren was zum Mobben und Opfer werden führt und warum es so weit verbreitet ist. Dabei werde ich besonders ein noch stärker vernachlässigtes Phänomen, dem Mobben unter Geschwistern besprechen. Viele Mobber aber gerade auch Opfer lernen ihre Rollen schon in der Familie mit ihren Geschwistern. Die Konklusion ist das bis zu 30% von Angst, Depressionstörungen und Suiziden und Selbstverletzung durch Mobben erklärt werden können und Entwicklungstheorien und klinische Praxis unbedingt die Rolle von Gewalt durch Geschwister und Gleichaltrige in der Entstehung von Fehlanpassungen, die ein ganzes Leben anhalten können, nicht weiter ignorieren kann.
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Prof. Dipl.-Psych. Dieter Wolke, PhD
Prof. Wolke erforscht die Entstehung psychischer Krankheiten bei Kindern, die soziale und emotionale Entwicklung,die Entwicklung frühgeborener Kinder sowie die Auswirkung von Mobbing in der Schule sowie durch Geschwister.
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Prof. Dr. phil. Dr. h.c. Dipl.-Psych. Andreas Kruse
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Jun.-Prof. Dr. Susanne Steffes
Prof. Steffes erforscht u.a., wie sich Instrumente des Personalmanagements und der Personalführung auf die Arbeitsqualität und die Bindung von Arbeitnehmern auswirken.
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Dr. Markus Moessner
Dr. Moessner erforscht Nutzung und Wirkung von internetbasierten psychosozialen Angeboten.
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Prof. Dr. Serge Perrot
Prof. Perrot arbeitet und forscht zum Thema Entstehung und Behandlung von Schmerz an der Descartes Universität und dem Krankenhaus Cochin-Hôtel-Dieu in Paris.
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© Körber-Stiftung / David Ausserhofer
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Dr. Greta Wagner
Dr. Wagner beschäftigt sich mit der gesellschaftlichen Bedeutung von Leistungssteigerung, Selbstoptimierung und Neuroenhancement.
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Prof. Dr. Bernhard Hommel:
Der Mensch als Architekt seiner/ihrer selbst:
Mechanismen und Möglichkeiten kognitiver Selbststeuerung
Traditionell unterscheidet die Psychologie zwischen der willentlichen Kontrolle menschlicher Handlungen und automatisiertem, gewohnheitsmäßigem Handeln. Jüngere Untersuchungen legen jedoch nahe, dass diese Unterscheidung konzeptuell und empirisch nicht haltbar ist. Unterschiede innerhalb und zwischen Personen sind vielmehr auf variable Stile der Handlungskontrolle zurückzuführen, die zwischen extremer Persistenz (der ausschließlichen Fokussierung auf eigene Ziele) und extremer Flexibilität (der Berücksichtigung situativer Gegebenheiten) variieren kann. Der Vortrag widmet sich den neuronalen und funktionellen Grundlagen dieser Stile, genetischen und sozialen Determinanten davon, sowie situativen Möglichkeiten ihrer Beeinflussung.
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Prof. Dr. Bernhard Hommel
Prof. Hommel betreibt u.a. Grundlagenforschung zu Aufmerksamkeitsmechanismen und Handlungskontrolle, beschäftigt sich aber auch mit Themen wie Emotionen, Kreativität und Religion.
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Dr. phil. Eva-Maria Fahmüller
Dr. Eva-Maria Fahmüller berät als freie Dramaturgin Produktionsfirmen und Autor_innen, ist als Dozentin tätig und Vorsitzende von VeDRA, dem Verband für Film- und Fernsehdramaturgie.
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PD Dr. Thomas Röske
Als Kunsthistoriker und Psychologe bewegt sich PD Dr. Thomas Röske an der Schnittstelle zwischen Psychologie, Psychiatrie und kulturhistorischer Forschung und macht als Leiter der Sammlung Prinzhorn die Kunst von Psychiatrie-Erfahrenen dem Publikum zugänglich.
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© Anja-Yorikke Heitkamp
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Prof. Dr. Joachim E. Fischer
Prof. Fischer beschäftigt sich mit dem Thema Mensch und Gesundheit und erforscht u.a. das Potential von Gesundheitsförderung auf kommunaler Ebene.
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