Fellow-Klasse 2023/24 Prof. Dr. Andrea Albrecht
Arbeitsvorhaben am Marsilius-Kolleg
Die Kunst der Täuschung: Kooperation, Persuasion, Manipulation (zusammen mit Jun.-Prof. Dr. Christoph Korn und Prof. Dr. Joachim Kurz)
Die Kunst der Täuschung hat eine lange, globale Geschichte. Unser Projekt nähert sich diesem allgegenwärtigen Phänomen aus einer Perspektive, die psychologische Aspekte mit philologischen und historischen Ansätzen verbindet. Wir begreifen Täuschung dabei als eine Grundform sozialer Kooperation. Soziale Kooperation wird oft als eine Voraussetzung für beiderseitig vorteilhafte Interaktion angesehen, das heißt für ein Zusammenwirken zweier oder mehrerer Akteure oder Gruppen zum Erreichen gemeinsamer Ziele. Genau dies machen sich Täuscher zunutze. Ihnen ist bewusst, dass Kooperationsbereitschaft auch durch Täuschung, Manipulation und Strategien des make believe erzeugt werden kann, insbesondere dann, wenn sich die Interaktanten in asymmetrischen Konstellationen begegnen. Unser Interesse gilt der vergleichenden Analyse solcher Täuschungs-konstellationen. Wir untersuchen den Zusammenhang von Kooperation, Persuasion und Manipulation dazu in Situationen, in denen Akteure ihre Kooperationspartner entweder bewusst täuschen oder sich selbst gegen Einflussnahme und Irreführung zur Wehr zu setzen versuchen. Ziel unseres Vorhabens ist es, ein präziseres Verständnis von den historischen und psychologischen Gegebenheiten zu gewinnen, aus denen heraus Wissens-ansprüche mit Überzeugungskraft vertreten und zur Anknüpfung einseitig profitabler Kooperationsbeziehungen instrumentalisiert werden können.
Im germanistischen Teilprojekt steht die Analyse typisierter Szenen aus dem politischen Theater der 1920er bis 1940er Jahre im Zentrum, mit denen Dramatiker auf Täuschung basierende Kooperationskonstellationen darstellen, um entweder selbst propagandistische oder gegenpropagandistische Botschaften zu verfolgen oder aber über politische Manipulationsstrategien aufzuklären. Das psychologisch/neurowissenschaftliche Teilprojekt versucht diese Thematik in experimentelle Situationen zu übersetzen, anhand derer Verhaltensstrategien sowie deren neuronalen Korrelate untersucht werden können. Dabei sind die Prozesse des (übermäßigen) „Mentalisierens“ (auch als „Theorie des Geistes“ bezeichnet) sowie des (übermäßigen) „Vermeidens“ bei Personen mit und ohne Persönlichkeitsstörungen ein besonderer Fokus. Das sinologische Teilprojekt untersucht diese Thematik am Beispiel von Strategien, die Quacksalber und Winkeladvokaten im China des 17.-19. Jahrhunderts entwickelten, um vermeintlich leichtgläubige Opfer und notorisch misstrauische Autoritäten zu täuschen.
FORSCHUNGSGEBIETE
- Neuere deutsche Literatur
- Schwerpunkt: Moderne
Lebenslauf
- Studium der Mathematik, Germanistik und Philosophie in Bremen, Hamburg und Göttingen
- 2003 Promotion am Seminar für deutsche Philologie der Universität Göttingen
- 2002-2004 Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „Jahrhundertwende – Literatur, Künste und Wissenschaften um 1900 in grenzüberschreitender Wahrnehmung“ an der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
- 2004-2007 Visiting Scholar an der University of California, Berkeley
- 2007 Nachwuchsgruppenleiterin im Emmy Noether-Programm der DFG am Deutschen Seminar II der Universität Freiburg
- 2008-2012 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der School for Language and Literature des Freiburg Institute for Advanced Studies
- 2011 Habilitation im Fach Neuere deutsche Literaturwissenschaft
- 2012-2017 Vertretungsprofessur und Leitung der Abteilung Neuere deutsche Literatur II an der Universität Stuttgart
- 2017 Professur „Neuere deutsche Literatur mit dem Schwerpunkt Moderne“ an die Universität Heidelberg
- Mitglied im Research Council des Fields of Focus 3
Ausgewählte Publikationen
Tabelle
Kosmopolitismus. Weltbürgerdiskurse in Literatur, Philosophie und Publizistik um 1800 (Reihe: Spectrum Literaturwissenschaft), Berlin: de Gruyter, 2005. |
(mit Jens Krumeich): Fritz Martini (1909–1991) und die deutsche Literaturwissenschaft vor und nach 1945, Heidelberg: Synchron, 2022. |
(mit Franziska Bomski) Forschungsdiskussion: Grabenkämpfe und Brückenschläge. Interdisziplinarität in der Praxis (Einleitung), in: Scientia Poetica 26 (2022), S. 191-200; eigener Beitrag: Interdilettantismus. Zum Ethos wissenschaftlicher Grenzgänge und zur Geltungskultur interdisziplinärer Arbeit, in: Scientia Poetica 26 (2022), S. 281-305. |
"Stockphilologen einerseits" und die "blos beobachtenden Naturforscher andrerseits" -- Zu Wilhelm Diltheys Vorstellung von der universitas litterarum und seinem Ideal disziplinärer Konzilianz, in: 200 Jahre Berliner Universität. 200 Jahre Berliner Germanistik 1810-2010 (Teil III) (Publikationen zur Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge, Bd. 23), hg. v. Brigitte Peters und Erhard Schütz, Bern 2011, S. 81-104. |
mit Lutz Danneberg, Ralf Klausnitzer und Kristina Mateescu (Hg.): Internationale Wissenschaftskommunikation und Nationalsozialismus. Akademischer Austausch, Konferenzen und Reisen in Geistes- und Kulturwissenschaften 1933 bis 1945, Berlin/Boston: de Gruyter, 2021. |
mit Lutz Danneberg, Ralf Klausnitzer, Kristina Mateescu (Hg.), "Zwischenvölkische Aussprache": Internationaler Austausch in wissenschaftlichen Zeitschriften 1933–1945, Berlin/Boston: de Gruyter, 2020. |
(mit Lutz Danneberg) Schönheit = Wahrheit? Über ästhetische Gütekriterien mathematischer Erkenntnis. In: figurationen 02/2020: Ästhetik der Mathematik/Aesthetics of Mathematics 2 (2020), S. 22-40. |
Das Konzept des Klassischen in der modernen Naturwissenschaft und Mathematik. Wilhelm Ostwald, Oswald Spengler und Max Bense. In: Die Rede vom Klassischen. Transformationen und Kontinuitäten im 20. Jahrhundert, hg. v. Thorsten Valk, Göttingen 2020, S. 235-259. |
(mit Ralf Klausnitzer) Trotz mancher Schwierigkeiten“. Zu den Auslandsreisen deutscher Geisteswissenschaftler zwischen 1933 und 1945, in Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 40.1 (2020), S. 48-73. |
(mit Christian Blohmann, Lutz Danneberg), "Mathematik ist reine Wissenschaft, nichts anderes". Max Bense zwischen Oswald Spengler und Heinrich Scholz, in: Andrea Albrecht/Masetto Bonitz/Alexandra Skowronski/Claus Zittel (Hg.): Max Bense. Werk -- Kontext -- Wirkung, Stuttgart: Metzler, 2019, S. 45-114. |
KONTAKT
Prof. Dr. Andrea Albrecht
Germanistisches Seminar
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
E-Mail: andrea.albrecht@gs.uni-heidelberg.de