Öffentlicher Vortrag Wie lebt man damit weiter? Der Krieg in der Ukraine - Gespräche mit Menschen in Butscha
Prof. Dr. Stephan Herpertz
Psychosomatische Medizin und Psychotherapie / Universität Bochum
Dienstag, 14.01.2025, 18.00 Uhr
Hörsaal, Marsilius-Kolleg
Im Neuenheimer Feld 130.1
Vor bald drei Jahren, am 24. Februar 2022 erfolgte der russische Überfall auf die Ukraine mit einer Luftlandeoperation auf dem Flughafen Hostomel nur wenige Kilometer entfernt von Butscha und Irpin, zwei Städte im Nordwesten von Kiew. Insbesondere der Name Butscha ging wenige Wochen nach dem Scheitern des russischen Angriffs und dem Rückzug der russischen Truppen um die Welt mit Bildern unvorstellbarer Gräueltaten russischer Soldaten. Zu Beginn der russischen „Spezialoperation“ gelang über 35.000 Menschen die Flucht aus Butscha. Von den rund 4000 Menschen, die in der Stadt blieben, überlebte etwa ein Zehntel die russische Besatzung nicht. Nach dem Rückzug der russischen Armee wurden 458 Leichen gefunden, die meisten davon Zivilisten. Viele Opfer wurden gefoltert, erschlagen oder erschossen. Trotz intensiver Ermittlungen war es unmöglich, alle Leichen zu identifizieren.
Der Vortrag basiert auf Gespräche mit Einwohnern der Städte Butscha und Irpin, die sich im Sommer 2024 im Rahmen einer Studie und mit Unterstützung ukrainischer, kommunaler Behörden für ein Interview bereit erklärt hatten. Unsere Reise galt nicht allein der Frage, was die Menschen im Frühjahr 2022 erlebten, sondern vielmehr, wie sie die damaligen Geschehnisse verarbeiteten und welche psychischen Folgen diese Erlebnisse für sie hatten und haben und schließlich, wie sie ihre Zukunft sehen. Wir führten qualitative Interviews mit Soldaten und Zivilisten. Nicht selten hatten wir Gelegenheit, an die Orte der Gräueltaten geführt zu werden. Neben den traumatischen Erfahrungen der Menschen und der Angst vor der Zukunft ihres Landes war bei vielen Männern und Frauen aber auch eine eindrucksvolle Resilienz spürbar, die sich durch einen unermüdlichen Einsatz sowohl auf individueller wie auch gesellschaftlicher Ebene zeigte. Der Vortrag basiert auf zahlreichen Interviews und kurzen Filmausschnitten und beleuchtet die Situation der Menschen in Butscha und Irpin mehr als zwei Jahre nach dem russischen Überfall.
Prof. Dr. Stephan Herpertz
Prof. Dr. Stephan Herpertz war bis 2024 Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des LWL-Universitätsklinikums Bochum im Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Er hatte dazuhin den Lehrstuhl für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Ruhr-Universität Bochum inne.