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Historisches  Marsilius von Inghen

Der Namenspatron des Kollegs, Marsilius von Inghen, war nicht nur Gründungsrektor der Universität Heidelberg (1386), sondern verkörpert als Lehrer sowohl der „Artes Liberales“ als auch der Theologie die damalige Vorstellung der universitas besonders anschaulich. 

Handschrift von Marsilius von Inghen

Handschrift von Inghen

Item citra medium rectorie recedente rectore propter epidemiam et guerras et una secum magistris Hertleuo de Marka et Theoderico de Monasterio et fere simul omnibus scolaribus paucis in comparacione demptis. Substitutus fuit magister Marsilius de Inghen. Et intitulati sunt sub eo in parte eiusdem rectorie sequentis …

[Ferner wurde noch vor der Mitte dieses Rektorats beim Wegzug des Rektors und zusammen  mit ihm der Magister Hartlieb von der Mark und Dietrich von Münster sowie zugleich fast sämtlicher Studenten  mit vergleichsweise wenigen Ausnahmen wegen der Pestseuche und wegen der Kriegswirren als Ersatz<-Rektor> Magister Marsilius von Inghen eingesetzt. Unter ihm sind in dem weiteren Teilabschnitt  desselben Rektorats <folgende Studenten> immatrikuliert worden]

[dazu die Randnotiz rechts:] Attende hic recessum rectoris propter epydemiam et guerras et fere omnium scolarium et erectionem studii Coloniensis.

[Beachte hier den Wegzug des Rektors wegen der Pestseuche und der Kriegswirren sowie fast aller Studenten sowie die Neuerrichtung der Universität Köln]

Pariser Anfänge

Mit Marsilius hatte der fürstliche Stifter Rupprecht I. einen glänzenden Namen der europäischen Universitätslandschaft an den Neckar zu ziehen vermocht. Um 1330 vermutlich in der Provinz Geldern in den Niederlanden geboren, ist der Gelehrte in den Quellen erstmals 1362 an der Universität Paris belegt, wo er am 27. September seine Inauguralvorlesung als „Magister Artium“ hielt. Als Schüler des Johannes Buridanus, des einflussreichen Begründers einer logisch-empirischen Naturphilosophie, feierte er in Paris große Lehrerfolge. Außerdem wurden ihm bereits an der Seine eine Reihe bedeutender Ämter der Universität verliehen, in den Jahren 1367 und 1371 war er ihr Rektor. Mehrfach hatte ihm außerdem seine Universitätsnation, die Natio Anglicana, die die Lehrenden und Lernenden aus Deutschland, Ungarn, Böhmen, Polen, Schweden, Dänemark, Norwegen, Schottland, England und Irland vereinigte, Korporationsfunktionen übertragen.

Das Große Schisma

1368 und 1376 vertrat Marsilius als Sonderbeauftragter die Pariser Universität bei der päpstlichen Kurie in Avignon. 1377/1378 gehörte Marsilius zu den Begleitern Papst Gregors XI. auf dessen Reise nach Rom. Dort war er auch 1378, als mit der Wahl Urbans IV. das Große Schisma begann. Ein halbes Jahrhundert lang wurde die Christenheit von den Wirren um die päpstliche Cathedra erschüttert, zeitweilig stritten sich sogar drei Anwärter erbittert um das Amt. Marsilius hatte früh vor den Folgen gewarnt: Noch aus Rom schrieb er nach Paris, seit 100 Jahren habe sich die Kirche Gottes nicht mehr in solcher Gefahr gefunden. In den späten siebziger Jahren des 14. Jahrhunderts verliert sich die Spur des Marsilius. Es ist nicht dokumentiert, wann und mit welchem Ziel er Paris verließ, dessen Universität im Streit um den legitimen Papst ihren internationalen Rang zu verlieren begann.

Die Gründung der Universität Heidelberg

Vom Abzug der deutschen Universitätsangehörigen aus Frankreich profitierte das defizitäre deutsche Bildungssystem, zuerst die von Karl IV. initiierte Prager Hochschule und die habsburgische Konkurrenzgründung in Wien. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts setzte die Phase der Universitätsgründungen in Mittel- und Osteuropa ein, in die auch die Heidelberger Stiftung zu rechnen ist. Das pfalzgräfliche Generalstudium nach Pariser Vorbild wurde am 18. Oktober mit einer Messe „de sancto spiritu“ feierlich in der Kapelle zum Heiligen Geist eröffnet in Gegenwart der einzigen drei Magister in Diensten der Universität. Neben Marsilius waren dies Heilmann Wunnenberg aus Prag, ebenfalls Lehrer in der Artistenfakultät, und der Theologe Reginald von Alna, Zisterzienser aus der Abtei Aulne bei Lüttich, der aus Paris nach Heidelberg gekommen war.

Literarische Werke des Marsilius

Das literarische Wirken des Marsilius war eng mit seiner langjährigen Lehrtätigkeit verbunden. Als Professor der Facultas Artium machte er sich vor allem auf dem Gebiet der Logik und der theoretischen Philosophie verdient. Seine stattliche Reihe umfangreicher Werke, darunter viele Kommentare zu Aristoteles-Schriften, wurden in Teilen zu Standardlehrbüchern an den europäischen Universitäten. Parallel zu seiner Lehrtätigkeit in der Heidelberger Artistenfakultät setzte Marsilius außerdem sein bereits um 1366 in Paris begonnenes Theologiestudium fort. Im Studienjahr 1395/96 erwarb er als erster in Heidelberg den Grad eines Doktors der Theologie. Auch aus diesem Bereich hinterließ er mehrere Werke; sowohl handschriftlich als auch im Druck ist etwa der umfängliche, die vier Bücher des Petrus Lombardus umfassende Sentenzenkommentar überliefert.

Literatur

Dagmar Drüll, Art. Marsilius von Inghen, in: Drüll, Dagmar: Heidelberger Gelehrtenlexikon 1386-1651, Berlin u.a. 2002, S. 373 f.

Mieczyslaw Markowski, Art. Marsilius von Inghen, in: Verfasserlexikon 2 6, Berlin, New York 1987, Sp. 136-141.

Manfred Schulze, Art. Marsilius von Inghen, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 16, Herzberg 1999, Sp. 988-1001;
Rolf Schönberger, Art. Marsilius von Inghen, in: Neue Deutsche Biographie 16, Berlin 1990, 260f.;

 

Carla Meyer, Dipl.-Germ.
(Institut für Fränkisch-Pfälzische Geschichte und Landeskunde der Universität Heidelberg)

Tipp:

Jürgen Miethke: "Marsillius von Inghen in Heidelberg", in: Düchting, Reinhard / Miethke, Jürgen / Seeliger-Zeiss, Anneliese / Walz, Dorothea: "Marsilius Gedenken", Mattes, Heidelberg 2008.

(mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Mattes-Verlags Heidelberg)