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Fellow-Klasse 2008/09 Prof. Dr. Johannes Schröder

Arbeitsvorhaben am Marsilius-Kolleg

Kognitive Reserve und ihre neurobiologischen Vorbedingungen

Das Marsilius-Projekt "Perspectives of Ageing in the Process of Social and Cultural Change" hat die für kognitive Leistungen und ihren Erhalt wichtigen Risiko- und protektiven Faktoren auf der individuellen Ebene sowie Maßnahmen zur besseren Integration älterer Arbeitnehmer zum Thema. Zwischen den genannten Bereichen bestehen komplexe Wechselwirkungen, indem kognitive Fähigkeiten - und ihr Erhalt - zweifellos eine Vorbedingung der beruflichen Integration sind, wie Letztere auch auf individueller Ebene die kognitive Leistungsfähigkeit fördert. Die damit angesprochenen Interaktionen korrespondieren mit dem Konzept der kognitiven Reserve und lassen sich anhand des in der Interdisziplinären Längsschnittstudie des Erwachsenenalters (ILSE) erhobenen Proben- und Datenmaterials überprüfen. Letztere umfasst zwei repräsentative 1930-32 bzw. 1950-52 geborene Jahrgangskohorten (n = 1000), die von 1993 bis heute dreimal untersucht wurden.


Neurobiologische Auffälligkeiten konnten im Projekt bislang noch nicht ausreichend berücksichtigt werden. In diesem Kontext sind genetische Polymorphismen und cerebrale Veränderungen besonders attraktiv, da sie das kognitive Leistungsniveau unmittelbar von der Kindheit an beeinflussen bzw. im Rahmen erster, noch nicht klinisch manifest werdender neurodegenerativer Veränderungen entstehen.


Beispielhaft sei hier der Catechol-O-methyltransferase Val 158 Met Polymorphismus angeführt, der den Dopaminabbau im frontalen Kortex und damit wichtige neuropsychologische Leistungen - Exekutivfunktionen und psychomotorische Verarbeitungsgeschwindigkeit - beeinflusst. Wie in anderen Bevölkerungsstudien sind deshalb je 25% der ILSE-Probanden durch die Allele, die zu einem besonders raschen bzw. besonders langsamen Dopaminabbau führen, charakterisiert. Querschnittstudien wiesen bei jüngeren Erwachsenen inverse Zusammenhänge zwischen Dopaminabbau und Exekutivfunktionen nach, indem letztere bei Probanden mit langsamen Dopaminabbau - d.h. Trägern der COMT Val/ Val Variante - stärker ausgeprägt sind (Egan et al., 2001, Bruder et al., 2005). Die Bedeutung dieser Befunde für die Altersentwicklung ist weithin offen: einerseits wird vermutet, dass sich die Auswirkungen solcher und ähnlicher genetischer Varianten mit Einsetzen neurodegenerativer Veränderungen im Alter verstärken; alternativ ist zu prüfen, inwieweit lebenslange Praxis derartige diskrete Unterschiede nivellieren kann zumindest solange neurodegenerative Veränderungen noch nicht eingesetzt haben. Diese hypostasierten Effekte würden im ILSE Datenmaterial zu einer höheren Prävalenz und Ausprägung kognitiver Defizite bei den älteren - d.h. 1930 bis 1932 geborenen - Trägern einer COMT Val/ Val Variante führen, bzw. zu einer Angleichung der Leistungsniveaus zwischen den Trägern unterschiedlicher COMT-Varianten über das mittlere Erwachsenenalter bei der noch berufstätigen Jahrgangskohorte 1950/52.


Vergleichbare Zusammenhänge können für andere Polymorphismen aber auch zerebrale Veränderungen formuliert werden. Am bekanntesten dürfte Polymorphismus für das Apolipoprotein E sein, von dem das e4 Allel nicht nur gehäuft bei Alzheimer Demenz vorliegt, sondern auch mit typischen zerebralen Veränderungen korreliert (Thoman et al., i. Druck). Letztere können schon in den klinischen Vorstadien der Erkrankung - der leichten kognitiven Beeinträchtigung nachgewiesen werden und sind eng mit den entscheidenden neuropsychologischen Veränderungen von Gedächtnis- und Exekutivfunktionen assoziiert (Thomann et al., 2008; Schönknecht et al., 2005; Pantel et al., 2003). Allerdings sind auch diese Zusammenhänge nicht statisch, sondern dürften ebenfalls i. S. der kognitiven Reserve moduliert werden. Hier ist zu erwarten, dass bei Probanden mit ausgeprägter Reserve - hoher Schulbildung und hohem kognitiven Aktivitätsniveau - neurodegenerative Veränderungen länger kompensiert bleiben im Vergleich zu Probanden mit geringer Reservekapazität. Auch diese Hypothese kann im Rahmen der ILSE anhand der aufgenommenen Magnetresonanz-tomographien (MRT) des Gehirns unmittelbar bearbeitet werden. Hierzu besteht eine enge Kooperation mit Herrn Prof. Dr. M. Essig aus der Abt. für Radiologische Diagnostik und Therapie des DKFZ.


Im beantragten zweiten Fellowship möchte ich diese Zusammenhänge zwischen genetischen Polymorphismen bzw. cerebralen Veränderungen und der kognitiven Reserve wie skizziert anhand des Datenmaterials der ILSE beispielhaft untersuchen. Auch in methodischer Hinsicht können sich die vorgeschlagenen Untersuchungen u.a. auf die oben zitierten einschlägigen Vorstudien stützen. Das Marsilius-Projekt "Perspectives of Ageing in the Process of Social and Cultural Change" würde damit sinnvoll ergänzt. Ferner möchte ich während des zweiten Fellowship die Interaktion zwischen den am Projekt beteiligten Arbeitsgruppen nicht zuletzt in Vorbereitung der Summer School intensivieren.


Literatur


Bruder G. E., Keilp J. G., Haiyan X., Shikhman M., Schori E., Gorman J. M., Gilliam T. C. (2005) Catechol-O-Methyltransferase (COMT) Genotypes and Working Memory: Associations with Differing Cognitive Operations. Biological Psychiatry 58: 901-907.


Egan M. F., Goldberg T. E., Kolachana B. S., Callicott J. H., Mazzanti C. M., Straub R. E., Goldman D., Weinberger D. R. (2001) Effect of COMT Val108/158 Met genotype on frontal lobe function and risk for schizophrenia. PNAS 98: 6917-6922.


Hempel A., Giesel F., Garcia Caraballo N., Amann M., Meyer H., Wüstenberg T., Essig M., Schröder J. (2004) Plasticity of cortical activation related to working memory during training. Am J Psychiatr 161: 745-747.


Pantel J., Kratz B., Essig M., Schröder J. (2003) Parahippocampal Volume Deficits in Subject with Aging-Associated Cognitive Decline. Am J Psychiatry 160:379-382.


Schönknecht P., Pantel J., Kruse A., Schröder J. (2005) Prevalence and natural course of aging-associated cognitive decline in a population based sample of "young-old" subjects. Am J Psychiatry 172: 2071-77.


Thomann PA, Kaiser E, Schönknecht P, Pantel J, Essig M, Schröder J Association of CSF total tau and phospho-tau (181) with cerebral atrophy in mild cognitive impairment and Alzheimer's disease. J Psychiatr Neuroscience (im Druck)


Thomann P.A., Toro P., Dos Santos V., Essig M., Schröder J. (2008) Clock drawing performance and brain morphology in mild cognitive impairment and Alzheimer's disease. Brain and Cognition 97(1): 88-93.

Porträt Johannes Schröder Fellow 2009/10

FORSCHUNGSGEBIETE

  • Risiko- und protektive Faktoren in der Altersentwicklung
  • Autobiographisches Gedächtnis
  • Trainingsmechanismen
  • Früherkennung der Alzheimer Demenz
  • Psychopathologie und Verlauf schizophrener Psychosen

Lebenslauf

  • 1977-1984 Medizinstudium an der Ruhr-Universiät Bochum, Praktisches Jahr u.a. am Flinder´s Medical Centre Adelaide/Australien
  • 1985 Promotion
  • 1993 Facharzt für Psychiatrie
  • 1995 Habilitation und Erteilung der venia legendi für das Fach Psychiatrie.
  • 1995 Weiterbildungsbefugnis Klinische Geriatrie  1997 Ruf auf eine C3-Professur der Universität Hamburg - Ruf abgelehnt - 
  • 1998 Mitglied der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg 
  • 1999 Ruf auf die C3-Professur für „klinische Psychiatrie“ der Universität Heidelberg
  • 2000 Ernennung zum Universitätsprofessor (C3) für „Klinische Psychiatrie“ 
  • 2004 Stellvertretender Vorsitzender der Ethikkommission 
  • 2006 Kooption in die Fakultät für Verhaltens- und Empirische Kulturwissenschaften 
  • 2008 Wahl zum President elect. International Society for Neuroimaging in Psychiatry 

    Ehrungen und Preise:

  • 1990: Young Scientist Award Fifth Biennial Winter Workshop on Schizophrenia, Badgastein, für die Arbeit: „Minor motoric and sensoricdisturbances (neurological soft signs) in remitting and chronic schizophrenia”.
  • 1994: Young Scientist AwardSeventh Biennial Winter Workshop on Schizophrenia, Les Diablerets, für die Arbeit „Structural and functionalcorrelates of subsyndromes in chronic schizophrenia”.
  • 1995: Forschungspreis „Hirnforschung in der Geriatrie” mit J. Pantel für die Arbeit „Quantitative Magnetresonanztomographie und Schweregrad der Defizite bei der Demenz vom Alzheimertyp”.
  • 2006: “Alois Alzheimer-Preis” für die Arbeiten zur Früherkennung der Alzheimer Demenz.

Ausgewählte Publikationen

Table

Schröder J., Kratz B., Pantel J., Minnemann E., Lehr U. und Sauer H. (1998) Preva­lence of mild cognitive impairment in an elderly community sample. J Neural Transm 54:51-59.
Schröder J., Essig M., Baudendistel K., Jahn T., Gerdsen I., Stockert A., Knopp M.V. und Schad L.R (1999) Motor dysfunction and sensorimotor cortex activa­tion chan­ges in schizophrenia: a study with functional magnetic resonance imaging. Neu­roimaging 9:81-87.
Bickel C., Pantel J., Eysenbach K. und Schröder J. (2000) Syntactic Comprehension Deficits in Alzheimer’ Disease. Brain and Language: 71:432-448.
Karlsson H., Bachmann S., Schröder J., McArthur J., Fuller Torrey E., Yolken R. H. (2001) Retroviral RNA identified in the cerebrospinal fluids and brains of individuals with schizophrenia. PNAS 98(8):4634-4639.
Schröder J., Buchsbaum M.S., Shihabuddin L., Tang C., Wei T., Spiegel-Cohen J., Hazlett E.A., Abel L., Luu-Hsia C., Ciaravolo T.M., Marin D., Davis K.L. (2001) Patterns of cortical activity and memory performance in Alzheimer's disease. Biol Psychiatry 49(5):426-436.
Pantel J., Kratz B., Essig M., Schröder J. (2003) Parahippocampal Volume Deficits in Subject With Aging-Associated Cognitive Decline. Am J Psychiatry 160:379-382.
Hempel A., Giesel F., Garcia Caraballo N., Amann M., Meyer H., Wüstenberg T., Essig M., Schröder J. (2004) Plasticity of working memory related cortical activation during practice. Am J Psychiatry 161: 745-747.
Bachmann S., Bottmer Ch., Schröder J. (2005) Neurological soft signs in first-episode schizophrenia – a follow-up study. Am J Psychiatry 162: 1-7.
Schönknecht P., Pantel J., Kruse A., Schröder J. (2005) Prevalence and natural course of aging-associated cognitive decline in a population based sample of "young-old" subjects. Am J Psychiatry 172: 2071-77.Thomann P.A., Dos Santos Pedro V., Toro P., Schönknecht P., Essig M., Schröder J. Reduced olfactory bulb and tract volume in early Alzheimer's disease – a MRI study. Neurobiol Aging (im Druck).
Schröder J. (1998) Subsyndrome der chronischen Schizophrenie. Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren zur Heterogenität schizophrener Psychosen. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York Barcelona Budapest Hongkong London Mai­land Paris Santa Clara Singapur Tokio.
Pantel J. und Schröder J. (2006) Zerebrale Korrelate klinischer und neuropsychologi­scher Veränderungen bei der Alzheimer-Demenz und ihrer Verlaufsstadien. Untersuchungen mit der quantitativen Magnetresonanztomographie. Steinkopff Darmstadt.

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