Forschungsverbund „Anthropologie und Ethik“ an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Wissenschaftliche und technologische Innovationen betreffen in einer globalisierten Welt alle Kulturen, werden von ihnen aber unterschiedlich aufgenommen, bewertet und reflektiert. Dies gilt in besonderer Weise für die Fortschritte der Lebenswissenschaften etwa auf den Gebieten der Genetik, Zellbiologie, Neurobiologie, der Prä- und Perinatalmedizin ebenso wie der Medizin der letzten Lebensphase. Sie treffen auf kulturspezifische anthropologische und ethische Grundannahmen (Menschenbilder, Lebensstile, Lebenswelten), mit denen sie in Konflikt geraten können, die sie aber auch beeinflussen und verändern. Umgekehrt haben kulturelle Deutungssysteme einen erheblichen Einfluss auf lebenswissenschaftliche Theoriebildungen und Praxisformen. Damit stellt sich die grundlegende Frage nach den Wechselwirkungen von lebenswissenschaftlichen Fortschritten und kulturell tradierten Menschen- und Weltbildern:
- Wie reagieren kulturell tradierte Menschenbilder, Religions- und Ethiksysteme auf biomedizinische Fortschritte? Inwieweit werden sie dabei neu formiert und bestimmt?
- Inwieweit werden umgekehrt lebenswissenschaftliche Theorien und Praktiken von kulturellen Reflexionsprozessen beeinflusst?
- Welche Konsequenzen ergeben sich aus solchen vergleichenden Untersuchungen für anthropologische Grundannahmen und normative Praktiken in unserer Kultur?
Um diese drängenden Fragen interdisziplinär bearbeiten zu können, wurde im Rahmen der Exzellenzinitiative II an der Universität Heidelberg der Forschungsverbund Anthropologie und Ethik gegründet. Dieser untersucht also zum einen die Wechselwirkungen von lebenswissenschaftlichen Fortschritten und kulturell tradierten Menschen- und Weltbildern und zum anderen die Interaktionen von biologischer, anthropologischer und kultureller Evolution mit dem Ziel, tradierte Spaltungen zwischen naturalistischen und kulturalistischen Positionen zu überwinden.
Der Forschungsverbund „Anthropologie und Ethik“ ist eine Kooperation dreier Forschungseinrichtungen der Ruperto Carola, nämlich dem Interdisziplinären Forum für Biomedizin und Kulturwissenschaften (IFBK), dem Forschungszentrum für Internationale und Interdisziplinäre Theologie (FIIT) und der Karl-Jaspers-Professur für Philosophische Grundlagen der Psychiatrie und Psychotherapie (Thomas Fuchs).
Der Forschungsverbund „Anthropologie und Ethik“ ist Träger des 2013 bewilligten Marsilius-Projektes „Verkörperung als Paradigma einer evolutionären Kulturanthropologie“.