Verkörperung als Paradigma einer evolutionären Kulturanthropologie
Die Evolutionstheorie hat seit dem 19. Jahrhundert tradierte anthropologische Grundannahmen über die Stellung des Menschen in der Natur irritiert und erschüttert. Der darwinistischen Eingliederung der menschlichen Entwicklung in die Naturgeschichte ist die philosophische und theologische Anthropologie des 20. Jahrhunderts (Scheler, Plessner, Gehlen, Portmann, Pannenberg) mit dem Versuch begegnet, die Sonderstellung des Menschen in seiner spezifisch offenen, geistbegabten Natur zu begründen. In der Gegenwart heben die evolutionäre Anthropologie und die neuere philosophische Anthropologie die verkörperte Kognition (Embodiment) hervor (Varela, Thompson & Rosch, Clark, Gallagher, Thompson, Deacon, Donald, Tomasello, Jung). Im Anschluss an die “embodied cognitive science” fragt das Marsilius-Projekt „Verkörperung als Paradigma einer evolutionären Kulturanthropologie“, inwiefern die spezifische Geistigkeit und Kulturfähigkeit des Menschen in Strukturen seiner Leiblichkeit begründet liegen, die sich evolutionär herausgebildet haben und dabei umgekehrt von der Kulturentwicklung beeinflusst wurden. Im Paradigma der Verkörperung soll sich der traditionelle dualistische Gegensatz von Natur und Kultur, Körper und Geist zu einem Prozess verflüssigen, in dem die beiden Momente ineinander verschränkt sind und sich wechselseitig konstituieren.
Das Marsilius-Projekt wird getragen von dem im Rahmen der Exzellenzinitiative II gegründeten und geförderten Forschungsverbundes „Anthropologie und Ethik“.